Konzernatlas deckt Machtstrukturen der Ernährungsindustrie auf

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In gemeinschaftlicher Anstrengung haben die Heinrich-Böll-Stiftung, Oxfam, der BUND und weitere Organisationen die fortschreitende Monopolisierung von globalen Machtstrukturen im Ernährungssektor aufgearbeitet. Der so entstandene Konzernatlas klärt uns kompakt und verständlich über die brisante Entwicklung auf – in Deutschland und der Welt.

Warum ist das für uns Verbraucher wichtig?

Durch die Machtkonzentration sind Preisabsprachen in vielen Bereichen keine Befürchtung, sondern Realität. Im Zeitraum 2014 bis 2016 verhängte das Bundeskartellamt Geldbußen in Höhe von 280 Mio. Euro an Zuckerproduzenten, davon allein 195,5 Mio. Euro an die Südzucker AG. Sie hatten mit der Pfeifer & Langen GmbH & Co. KG und der Nordzucker AG ein Gebietskartell gegründet, den Markt also unter sich aufgeteilt. Jede Firma konnte so auf dem zugewiesenen Gebiet ohne Konkurrenz die Preise bestimmen – die waren dann für die Kunden entsprechend höher als unter normalen Wettbewerbsbedingungen.

Der Konzernatlas listet noch viele weitere Beispiele auf. Der Handel mit Rohstoffen, Saatgut und Pestiziden ist noch viel stärker monopolisiert als die Lebensmittelproduktion – und gerade deshalb für uns Verbraucher erstmal unsichtbar. Es fällt uns auf, wenn wir in Italien in deutschen Supermärkten einkaufen können. Aber woher das Saatgut für den Salat im Restaurant kommt, bleibt zunächst verborgen.

Einige Chemiekonzerne wie Bayer und Monsanto wollen nun fusionieren. In wenigen Monaten könnten die drei dann entstandenen Giganten Bayer/Monsanto, ChemChina/Syngenta und DuPont/Dow das weltweite Geschäft mit Saatgut und Pestiziden unter sich aufgeteilt haben. Welchen Einfluss Lobbyarbeit auf die Gesetzgebung haben kann, erleben wir momentan am Beispiel von Monsanto. Hier wird eine Pflanze angeboten, die gegen die eigenen Schädlingsmittel resistent ist. Der Erwerb von beiden kann vertraglich diktiert werden – wenn Kartellbehörden hier nicht einschreiten. Nicht nur bei Getreide, auch den meisten anderen Lebensmitteln haben wir immer weniger Auswahl und Entscheidungsmöglichkeiten; besonders im Bereich der Gentechnik sehen die Autoren des Konzernatlas hier eine große Gefahr.

Die Machtkonzentration steigt weiter an

Der Markt für verarbeitete Lebensmittel ist momentan noch breiter. Aber selbst hier seien etwa 50% des Weltmarktes in der Hand von 50 Unternehmen. Und die Tendenz ist deutlich: In Schwellenländern wächst die Mittelschicht, was auch die Ernährungsgewohnheiten ändert. Es wird weniger selbst gekocht, mehr verarbeitete Lebensmittel konsumiert – mit der Nachfrage steigt auch das Interesse von Investoren. Zentralisierte Strukturen bedeuten ebenso, dass Lebensmittelskandale uns immer häufiger großräumig betreffen, oft halbe Kontinente.

Auf all diesen Ebenen ist die Lebensmittelindustrie also ein lukratives Geschäft. Damit wird unsere Nahrung zum Spekulationsobjekt. Nicht nur alteingesessene Produzenten sind beteiligt, sondern immer mehr auch Banken, Versicherungen und IT-Firmen. Finanzstarke Firmen können hier mit großen Investitionen und Lobby-Netzwerken in sehr kurzen Zeiträumen Marktanteile erobern und kleinere Konkurrenten ausschalten. Durch den Einfluss auf die Politik entstehen undemokratische Strukturen, gegen die wir immer schlechter angehen können. Mega-Konzerne wie Nestlé und Coca-Cola haben letztlich auch durch Werbung, Entertainment und Sponsoring Einfluss auf Ernährungstrends und gesellschaftliche Themen.

Die Probleme sind vielseitig

Nicht nur politische Forderungen nach Arbeitnehmerrechten, sondern immens wichtiger Umweltschutz und Reformen für eine nachhaltige Produktionsweisen können so mit dieser Finanzmacht torpediert werden. In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels ist dies für uns alle fatal. Denn Umwelt und Klima leiden enorm unter der industriellen Landwirtschaft. Abnehmende Biodiversität, Treibhausgase, Verschmutzung der Meere und erhöhter Wasserverbrauch durch Monokulturen werden es in den kommenden Jahren immer schwieriger machen, den Folgen des Klimawandels zu begegnen.

Die Selbständigkeit von regionalen Erzeugern wird immer schwieriger – dies ist eine weltweite Entwicklung. In vielen Ländern leiden Kleinbauern noch viel mehr darunter als in Deutschland, beispielsweise in Entwicklungs- und Schwellenländern, wo weniger subventioniert wird und Arbeitnehmer schlechter geschützt.

Aber auch deutsche Bauern werden so zum Spielball von Marktinteressen: Sie haben immer weniger Anteil an den Verkaufserlösen. Schon jetzt können hierzulande viele Landwirte nur noch durch Subventionen existieren.

Natürlich können wir bei regionalen Bio-Bauern einkaufen und teilweise auch Produkte von Marktführern meiden. Aber gezielter Konsum beeinflusst viele der Machtstrukturen nicht. Und wir sollten auch nicht vormachen, mit dem Griff zur Bio-Kiste unseren Teil für eine bessere Zukunft zu leisten. Auf politischer Ebene müssen wir Maßnahmen fordern, die diese Strukturen wirksam beschneiden: Mehr Kontrolle, eine Reform des Wettbewerbsrechts und stärkere Sanktionen bei illegalen Preisabsprachen.

Und der Konzernatlas erklärt verständlich wo, wie und warum.

 

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