Veganes Bodybuiling mit Svenja Salewski (Interview)

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Sport und insbesondere Kraftsport wird sehr stark mit Fleisch und einer milchlastigen Ernährung gleichgesetzt. Es sind die Eiweiße, die man für den Muskelaufbau braucht und das bedingt, geht man nach der öffentlichen Meinung, unbedingt Fleisch. Das dies aber keineswegs der Fall sein muss beweisen immer mehr vegane Bodybuilder.

Heute haben wir Svenja Salewski bei uns zu Gast, sie betreibt seit Jahren Bodybuilding und ernährt sich dabei vegan. Wie sich das in Kombination verhält und mit welchen Vorurteilen und Herausforderungen sie zu kämpfen hat, dazu haben wir sie für euch befragt.

WirEssenGesund: Hallo Svenja, schön dass du uns heute Rede und Antwort stehst. Der vegane Kraftsport führt ja immer noch ein Nischendasein. Wir freuen uns, dass wir dich heute ein wenig dazu befragen können. Vielleicht stellst du dich einfach mal kurz vor. Seit wann betreibst du aktiv Bodybuilding und ernährst du dich wirklich zu 100% vegan?

Svenja Salewski: Vielen Dank zunächst für die nette Einladung! Mich freut es riesig, dass vegane Ernährung im Kraftsport immer mehr Beachtung findet. Ich selbst bin im Kraftsport schon ein Weilchen aktiv, schon immer sehr aktiv gewesen und jahrelang Mitglied im Fitnessstudio. So richtig mit Muskelaufbau habe ich allerdings erst im November 2015 begonnen, also wenige Monate nachdem ich Veganerin wurde. Zuvor war ich erst einmal 3 Jahre lang Vegetarierin und habe nach einem Bandscheibenvorfall vor 4 Jahren eher vorsichtig trainiert.

Nachdem ich komplett vegan wurde, suchte ich nach Ernährungsplänen. Ich wollte anfangs eine Leitstruktur, da es ja schon eine Umstellung war. Ich stieß dabei auf einen Trainings- und Ernährungsplan mit veganer Option für eine allgemeine Fitness mit starkem Fokus auf Muskelaufbau. Das probierte ich eine Weile aus und es funktionierte perfekt. Meine Gesundheit wurde immer besser, ich war kaum noch krank, keine Sportverletzungen mehr und ich baute Muskeln auf.

Viele waren überrascht und ich wurde mit meinen alten Vorurteilen konfrontiert – Muskeln und Vegan? Proteindefizit? Und da festigte sich mein Wunsch in Richtung Bodybuilding zu gehen, Muskelmasse zuzulegen und so Menschen vielleicht vom Veganismus zu überzeugen. Wenn ein weiblicher Bodybuilder vegan sein kann, dann kann es jeder!

WirEssenGesund: Gab es bei dir einen bestimmten Auslöser, der dich zur veganen Ernährung gebracht hat?

Svenja Salewski: Tatsächlich war es eine ehemalige Arbeitskollegin, die selbst Veganerin war. Ich war damals noch Omnivore und habe viel Fleisch gegessen. Natürlich war ich anfangs etwas genervt von ihrer “veganen Art”, aber da ich mich sehr viel selbst reflektiere und kopflastig bin, kam ich so nach und nach zum Nachdenken über unseren Konsum. Zudem sah ich eine Sendung von Quarks & Co über Schweine, in der sie die Lebensbedingungen dieser Tiere erläuterten. Dies öffnete mich emotional für den kritischen Umgang mit dieser Industrie und ich begann, mich näher zu informieren.

Am Anfang fiel es nicht so einfach. Geschmacklich mochte ich ja Fleisch sehr gern. Allerdings wollte ich irgendwann nicht mehr meine persönlichen Bedürfnisse mit dem Leid von Lebewesen stillen. Ich war dann einige Jahre erst einmal “nur” Vegetarierin, bis ich irgendwann ein interessantes Gespräch mit einem veganen Kollegen hatte. Diesmal war ich den Argumenten der Veganer wesentlich offener gegenüber. Wir unterhielten uns über das Schreddern von Küken und dass meine Überzeugung, bei meinen Bio-Eiern täte ich Gutes, ein Trugschluss war. Auch erklärte er mir, dass für meine Bio-Milch Kühe massiv leiden und Kälbchen getötet werden. Er drückte mir Infos aufs Auge und nach deren Durchsicht habe ich einen ersten Versuch zum Veganismus gewagt – und bin nach einem Monat gescheitert, weil ich mich vorher zu wenig mit meiner Ernährung auseinander gesetzt und falsch gegessen habe. Ich fühlte mich schlapp, denn von Salat allein wird man nicht stark. Also wagte ich einen neuen Ansatz. Suchte mir Hilfe bei Facebook Gruppen und verschiedenen Rezeptseiten… und es klappte.

WirEssenGesund: Wie ich weiß, trägst du gerne beim Sport auch mal ein „Vegan-Shirt“, so bekommen auch alle anderen im Fitnessstudio deine Ernährungsvorlieben mit. Was sagen denn eigentlich deine ganzen Trainingspartner dazu? Bekommst du da eher Kopfschütteln oder ehrliches Interesse entgegen gebracht?

Svenja Salewski: Ein Kopfschütteln habe ich noch nie bekommen. Aber ich wurde schon paar Mal angesprochen, wie ich das denn genau mache und wie ich mich so ernähre. Ich verweise dann immer auf meinen Facebook-Account oder Instagram, auf dem ich immer fleißig Workouts, Rezepte und Tipps veröffentliche. Sicher gibt es deshalb auch kein Kopfschütteln, weil ich recht hart trainiere und daher wenig Platz für Zweifel für Lack of Protein oder Lack of Power-Gedanken lasse.

WirEssenGesund: Aber es gibt ja die leidige Diskussion um die ausreichende Menge Eiweiß. Wie gehst du damit um und welche pflanzlichen Eiweißquellen nutzt du selbst bzw. kannst du empfehlen?

Svenja Salewski: Das ist ein Punkt, den man gerade am Anfang im Auge behalten sollte. Deshalb empfehle ich jedem Tracking-Apps wie Cronometer zu verwenden. Damit kann man seine Ernährung und zudem auch die Mikronährstoffe gut tracken, die gerade in Diäten schnell vergessen werden. Ich decke meinen Bedarf ganz gut über Süßlupinen, Sojaprodukte, Hülsenfrüchte, wie Kichererbsen, Erbsen oder Bohnen, und Getreide wie Reis und Quinoa. Gerade Süßlupinen sind momentan gut im Kommen, weil sie regional in Deutschland und auch Österreich angebaut werden, einen hohen Eiweißgehalt und eine sehr gute Ökobilanz haben. Aber auch Sprossen und Nüsse sind nicht zu verachten. Ich bin ja ein riesen Fan von Mandeln und Cashews 🙂

WirEssenGesund: Verwendest du auch Nahrungsergänzungsmittel?

Svenja Salewski: Ja. Vitamin B12 und Vitamin D3 sowie K2. Vitamin B12 sollten ohnehin alle Veganer zu sich nehmen, da sie sonst irgendwann einen Mangel bekommen. Tierischen Produkten wird B12 ja auch nur noch künstlich zugeführt und ich umgehe im Prinzip den Filter durch das Tier einfach. Vitamin D3 und K2 nehme ich ebenfalls, macht in unseren Breitengraden auch wirklich großen Sinn, da wir sehr wenig über das Tageslicht aufnehmen.

Zudem für meine sportliche Betätigung BCAA, Creatin sowie ein Proteinpulver aus Erbsen- und Reisprotein. Im Leistungssport neben einer 40-50 Std. Arbeitswoche ist es für mich eine riesen Hilfe, weil ich sonst nur noch am Kochen und Vorbereiten wäre.

WirEssenGesund: Wie gehst du denn an deine Ernährung ran. Berechnest du wirklich genau auf das einzelne Gram deine richtigen Eiweißmengen oder ist das eher eine Pi-mal-Daumen-Rechnung? Kann man da vielleicht eine Faustformel an die Hand geben?

Svenja Salewski: Jetzt kommt die Antwort, die keiner hören mag: “Das kommt darauf an”. Worauf? Auf die Zielsetzung. Wenn ich auf Massezuwachs trainiere, achte ich auf viele hochwertige Kohlenhydrate sowie viel Eiweiß. Wenn ich jedoch in einer Diät- oder Definitionsphase bin, dann muss ich die Eiweißzufuhr hoch halten und Kohlenhydrate sowie Fette stark reduzieren. Die Eiweißkonzentration sorgt dann im unterkalorischen Zustand dafür, dass der Körper nicht beginnt, die Muskeln zu “verwerten”.

Wenn es bei mir richtig “professionell” mit Wettkämpfen oder Bühnenshows startet, werde ich mich auch stark an einen Plan halten. Aktuell befinde ich mich in der Diät, hier achte ich schon sehr genau auf meine Kalorien, Makros und Mikros. Die Ernährung macht halt enorm viel aus im Leistungssport.

WirEssenGesund: Wer selbst als Veganer Bodybuilding betreiben möchte, der hat es wahrscheinlich gerade am Anfang etwas schwerer auf die richtige Ernährung zu achten. Kannst du allen Anfängern vielleicht einen guten Tipp geben wie man es sich ein wenig einfacher machen kann und wo man die richtigen Informationen findet?

Svenja Salewski: Ich empfehle, sich umfassend zu informieren. Internetplattformen wie Facebook und Co. bieten viele Gruppen, Personen oder Fanseiten zur Thematik Bodybuilding, veganes Bodybuilding oder vegane Ernährung. Hier kriegt man einen guten Eindruck und kann sich mit geringem Aufwand gut informieren. Auch das Feedback anderer hilft extrem weiter.

Gerade in der veganen Umgebung kann man auch mal aktiv auf Leute zugehen und Fragen stellen. Hier erhält man viel positiven Input. Allgemein würde ich gerade die Vernetzung und das Nutzen von Synergieeffekten als sehr wichtig betonen. Das Internet ist in dieser Hinsicht ein großer Segen. Kritisch und vorsichtig würde ich jedoch mit kommerziellen Angeboten oder Ernährungsberatern umgehen, die eine stark vorurteilsgeprägte Haltung bezüglich Veganismus haben. Hier würde ich immer die Unabhängigkeit der Quellen genau prüfen und das Bauchgefühl auch nicht unberücksichtigt lassen.

WirEssenGesund: Die vegane Bodybuilding-Szene wächst ja in den letzten Jahren kontinuierlich. Außerdem sind inzwischen auch einige vegane Bodybuilder ganz vorne an der Weltspitze angekommen. In welchem Grad glaubst du, dass das mit der veganen Ernährung zusammenhängt?

Svenja Salewski: Dies mag meiner Ansicht nach zwei Ansätze haben: Erstens hat der Leistungssport mittlerweile eine solche Dynamik angenommen, dass die Stellschrauben zum Erfolg immer kleiner werden. Hier spielt eine gesunde und bewusste Ernährung eine immense Rolle. Menschen, die sich aktiv und kritisch mit ihrer Ernährung auseinandersetzen, kommen meist nicht umhin, sich auch mit veganer Ernährung auseinander zu setzen. Diese stellen dann meist extreme Erfolge dadurch fest. Bestes Beispiel mag vielleicht Patrik Baboumian sein, der auch international sehr bekannt ist.

Der zweite Ansatz liegt am gesellschaftlichen Wandel, der auch vor der Bodybuilding-Szene nicht Halt macht. Noch vor wenigen Jahren waren Frauen im Bodybuilding quasi Exoten. Zudem wird das Publikum heterogener. Die reine Pumping Iron-Szene existiert so nicht mehr wie noch vor 10-15 Jahren. Auf einmal beginnen sich Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Motivationen für diesen Sport zu interessieren, auch weil sich die Schönheitsideale in unserer Gesellschaft ändern. Unvergessen ist natürlich auch Arnold Schwarzeneggers Kampagne zur Reduktion bzw. Aufgabe des Konsums von tierischen Produkten.

WirEssenGesund: Hast du selbst ein Vorbild, mit dem du gerne mal trainieren möchtest?

Svenja Salewski: Haha, natürlich Arnold Schwarzenegger – ich bin ein riesen Fan von ihm. Aber richtig, richtig gerne würde ich mal mit Patrik Baboumian oder Nicole Wilkins trainieren, auch wenn ich dann vor lauter Aufregung kein einziges Gewicht hoch bekäme :).

WirEssenGesund: Bevor ich dich entlasse fehlt natürlich noch unsere obligatorische letzte Frage: Was gibt es denn heute Abend bei dir zu essen?

Svenja Salewski: Es gibt eine Enchilada Power Bowl (463 kcal; 18,1g F; 41,6g C ;28,3g P). Brauche etwas Power, weil ich habe heute noch ein Rücken- und Bizepsworkout 🙂 Anstatt von Tofu nehme ich allerdings Tempeh aus Süßlupinen für das Rezept.

WirEssenGesund: Vielen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast und wir wünschen dir natürliche weiterhin viel Erfolg mit dem veganen Bodybuilding.

 

Falls ihr Svenja näher kennenlernen möchtet und sie weiterhin verfolgen möchtet, dann findet ihr sie bei Facebook als „Svenni Sa“ und bei Instagram unter „Nilli Tee“.

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1 Kommentare


  1. Echt beeindruckend.
    Trainiere selber auch schon vier Jahre und bin seit einem vegan unterwegs. Kann die gute Svenja nur in ihren Aussagen unterstützen.
    Lg Piet

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