Adventsgeschichte (Teil 3/4): „VeggieProLife“ und die politische Neuordnung

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Die Gemüter sind aber gegen Ende der 2020er derart erregt, dass man fast glauben könnte die Deutschen, gehen zum ersten mal in ihrer Geschichte (zumindest zur Hälfte) kollektiv auf die Straße. In den südlichen Staaten drohen zeitgleich schon revolutionäre Züge ob der hohen Fleischpreise (den Franzosen fehlt das Rind und sie sehen ihr Weltkulturerbe, die „Französische Küche“, in Gefahr!). Aber auch der Niedergang der Bratwurst und des Sonntagsbratens wird medienwirksam im Frühstücksfernsehen zelebriert und mit all seinen Folgen bildgewaltig dargelegt. Natürlich unterstützt von den Krankenkassen, zumindest über einen gemeinsam gegründeten „Verein zur Wahrung der deutschen Ernährungskultur“.

Bei den Bundestagswahlen 2030 ist es dann soweit: In einer Koalition mit den „Grünen“ und den „Piraten“ bilden VeggieProLife (sie haben sich einfachheitshalber in „ProLife“ umbenannt und massentauglich weiteren Themen wie dem Klimawandel, Umweltschutz, der Bildung sowie einer vollständigen Umgestaltung unseres Weltwirtschaftssystems geöffnet) übrigens die erste Regierung ohne große Volkspartei seit der Gründung der Bundesrepublik… und tatsächlich, es funktioniert!

In den Anfang 2030er Jahren gewinnt „ProLife“ im Aufwind sämtlicher Ernährungsskandale europaweit in immer mehr Ländern einen nicht mehr zu ignorierenden Stimmenanteil und macht das einzige was mit ihrer inzwischen gewonnen Macht konsequent erscheint. Sämtliche Subventionen auf Fleisch werden europaweit abgeschafft, ebenso der Gebrauch von jeglichen Plastikverpackungen. Doch der große Massenaufschrei bleibt aus, Fleisch gibt es ja eh kaum noch und teuer war es vorher auch schon. Außerdem hat man sich inzwischen an die aufgrund freiwerdender Flächen deutlich gesunkenen Preise für pflanzliche Nahrungsmittel gewöhnt und diese für gut erklärt. Zudem schaffte es diese Aktion den kritischen Finanzhaushalt der Europäischen Union von jetzt auf gleich um 40 Mrd. Euro jährlich zu entlasten, was bisher noch keiner Regierung gelungen ist. Sogar von Wirtschaftsflügeln kommt das eine oder andere Lob, denn das Geld wurde zukunftswirksam in einen besseren Zusammenhalt Europas sowie allgemeine Bildung investiert. So war es ein Leichtes die nicht biologische Tierhaltung als weiteren Schritt mit Extrasteuern zu versehen und damit die wirtschaftliche Grundlage vollends zu entziehen.

Die Bevölkerung war dankbar, so konnte man sich doch so zumindest sicher sein, dass das verzehrte Fleisch wenn schon teuer so doch wenigstens einem gewissen Standard unterliegt. Die Lebensqualität und allgemeine Gesundheit hat sich europaweit deutlich gesteigert und auch in der allgemeinen Zufriedenheit finden sich im internationalen Vergleich unter den ersten 30 Staaten allein 25 aus der Europäischen Union. Unter die Top-10 schaffen es lediglich noch Costa Rica und Neuseeland, zwei jahrzehntelange Musterknaben in Sachen kollektiver Zufriedenheit.

Alles scheint gut… Europa ist wieder friedlich, glücklicher als je zuvor und damit auf der Blüte seines Seins. Das als „Fleischkrise“ oder auch „Vegetarische Revolution“ in die Geschichtsbücher eingehende Jahrzehnt ist überstanden und auch noch fast ohne Gewalt.

Doch dann kommt, womit keiner mehr so wirklich gerechnet hat. Da war doch noch der Klimawandel. Gab es da nicht vor geraumer Zeit bereits hochrangige Gelehrte, die dies vorhergesagt haben? Irgendwelche Spinner, die sich von Zeit zu Zeit in zweit- und drittbeste Sendezeiten mogeln und Horrormärchen erzählen!

Die Folgen kommen Ende der 2030er Jahre jetzt schlagartig: Mega-Hurrikan wird von Hyper-Hurrikan abgelöst, Jahrhunderthochwasser werden Allzeithochwasser und einigen Inseln steht das Wasser schon buchstäblich bis zum Hals. Nur Schweden freut sich, als neuer Exporteur von Spitzenweinen hat sich dort ein gänzlich neuer und sehr ertragreicher Wirtschaftszweig etabliert.

Zeitgleich nähern sich mal wieder die Zeichen einer weiteren weltweiten Wirtschaftskrise schlimmeren Ausmaßes als noch zu Beginn des Jahrhunderts. Viele, gerade aus den südlichen Ländern Europas können sich nur zu gut noch daran erinnern. Hatte man nicht gerade das Gröbste überstanden und zu einer neuen wirtschaftlichen Stärke und zu konstanten Wachstumsraten gefunden? Eine neue Angst legt sich über die Lande. Die gerade gewonnen Einigkeit droht so schnell wieder zu zerbrechen, wie sie gekommen ist. Aber eigentlich hat man sich ja auch schon dran gewöhnt. Jeder weiß, dass es so wie es läuft eben nicht läuft, aber die Großen und Mächtigen dieser Welt haben kein Interesse daran, dass etwas anders läuft als es gerade läuft. Ich schalte den Fernseher an, es läuft Werbung: Alles ist gut!

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