Bauern in Deutschland sind in einer wirtschaftlichen Krise

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Die Landwirtschaft in Deutschland steht vor großen Problemen und die Lage spitzt sich weiter und weiter zu. Seit 1999 ist die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe um 42 Prozent zurück gegangen. Mehr als jeder dritte Bauernhof hat aufgegeben.

Wenigen Betrieben gehört das meiste Land

Auf den Dörfern ist dieser Trend besonders zu verspüren. Die Flächen die frei werden, weil der Landwirt oder die Landwirtin verstirbt, werden häufig verkauft oder vom nächstgrößeren Betrieb aus der Nachbarschaft gepachtet, sofern die Erbengemeinschaft kein Interesse an der Landwirtschaft hat. Der Verkauf bringt gutes Geld und Ackerland gilt in den letzten Jahren als gute Anlagemöglichkeit. Zudem gibt es noch sogenannte „Share Deals“ bei denen Investoren Anteile an einer GmbH erwerben und dadurch die Grunderwerbssteuer für den Boden sparen. Das und der zunehmende Flächenverlust durch Straßen- und Siedlungsbau macht Druck und hält so die Preise für Ackerland hoch. So konzentrieren sich die landwirtschaftlichen Flächen auf immer weniger Betriebe. Und die erhalten Fördermittel aus der EU.

Neue Herausforderungen benötigen neue Förderkriterien

Seit 1962 gibt es eine gemeinsame Agrarpolitik, damals zwischen Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Sie gehörten zur EWG, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auch GAP genannt. Ziel der GAP war seinerzeit die Produktivität der Landwirtschaft zu steigern, den Handel zu stärken und die Einkommen der Bauern zu sichern. Heute sehen die Ziele etwas anders aus: ländliche Räume sollen stabilisiert werden und lebenswert erhalten werden, so dass eine wirtschaftlich stabile und wettbewerbsfähige Landwirtschaft unterstützt wird. Zudem soll auch etwas für die Umwelt, Biodiversität und den Klimaschutz getan werden. Diesen Zielen kommt die GAP aktuell aber nicht zu genüge nach. Dafür müssten die Zahlungen an die Bauern gekoppelt an deren Leistung im Bereich Umwelt und Biodiversität geknüpft sein. Aber seit 2003 fördert die GAP nicht mehr den Liter Milch oder die Tonne Weizen, sondern die Größe und Fläche Land, die ein Betrieb bewirtschaftet. Das wirkte damals gegen die Schwemme an Butter und Milch und die europäische Landwirtschaft wurde wettbewerbsfähiger. In Deutschland erhält ein Betrieb rund 250 Euro im Jahr pro Hektar.

Dieses, schon viel kritisierte, Konzept führt zu den aktuellen Problemen: wer viel hat, dem wird viel gegeben. Es geht zum Beispiel in Deutschland ein Fünftel der gesamten Agrargelder an nur ein Prozent der deutschen Betriebe. In Europa wird sogar die Hälfte des beackerbaren Landes von nur 3,1 Prozent der Betriebe bewirtschaftet. In Osteuropa erhalten solche Höfe dadurch Beihilfen in Millionenhöhe. Ohne diese gemeinsame Agrarpolitik würde es solche Betriebe wahrscheinlich gar nicht geben.

Wird überhaupt etwas sinnvolles dagegen getan?

Um dem entgegen zu wirken laufen aktuell die Planungen der EU-Kommission für die Fördergeldperiode ab 2021. Im Gespräch ist eine Kappung der Zahlungen ab einer Fördersumme von 100.000 Euro. Doch der deutsche Bauernverband hält das für keine gute Idee. Eine Kappung würde die Herausforderungen vor denen die Betriebe stehen, nicht lösen.

Das Höfesterben in Deutschland soll aber verhindert werden, daher fördert der Bund durch eine sogenannte Umverteilungsprämie kleinere und mittlere Betriebe. Konkret heißt das, dass die ersten 46 Hektar eines Betriebs stärker gefördert werden als die folgenden und zwar mit etwa 2000 Euro zusätzlich. Diese Summe ist aber viel zu niedrig um auch nur einen Arbeitsplatz zu erhalten. Eigentlich erlauben die EU-Regeln bis zu 30 Prozent Direktzahlungen an kleine Betriebe, aktuell sind es in Deutschland aber nur 7 Prozent. Und wie es scheint ist selbst dieser „gute“ Gedanke nur eine Maske. Darunter sieht man um was es tatsächlich geht. Denn diese Prämie schützt eigentlich die Großbetriebe: in Brüssel wurde diese Woche beschlossen, dass jeder Mitgliedsstaat, der etwas Geld für die ersten Hektar umverteilt, keine Kappung bei Zahlungen ab 100.000 Euro zu befürchten hat. Das macht den Vorschlag von Kappungen um der Flächenprämie entgegen zu wirken endgültig obsolet.

Fast alle Bauern kämpfen um ihre Existenz

Die pauschale Flächenprämie benachteiligt aber nicht nur kleinere Betriebe, auch Höfe die auf kleinem Raum eine hohe Produktivität leisten, haben es dadurch sehr schwer, zum Beispiel Wein- oder Gartenbauer, Schweine- oder Geflügelhalter. Die Investitionen sind hier durch viele Auflagen extrem hoch und es werden deutlich mehr Arbeitsplätze benötigt. Ein Betrieb der von einer Person bewirtschaftet werden kann, weil dieser zum Beispiel nur Obst, Gemüse und Getreide anbaut, bekommt die gleiche Förderung wie ein Milchbetrieb mit 10 Beschäftigten die an der Veredelung der Milchprodukte beteiligt sind. Gerade Milchbetriebe müssen wegen diesen Umständen und der Milchkrise 2015 und 2016 aufgeben. Die Zahl der Arbeitskräfte bei der Förderung zu berücksichtigen hätte geholfen, aber das findet unsere Agrarministerin Julia Klöckner für nicht zielführend, da dies unglaublich bürokratisch und anfällig für Missbräuche sei.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hat dagegen in ihrem Vorschlag für eine neue GAP einen Bonus für Arbeitskräfte eingebracht. Der Vorschlag wird aber derzeit auf EU-Ebene nicht einmal ernsthaft diskutiert. Die AbL vertritt kleine und mittlere Bauern in Deutschland und möchte die Leistungen der Landwirte mit einem Punktesystem bewerten und so mehr Gerechtigkeit schaffen. Die Mitglieder der AbL finden auch, dass die Herausforderungen in der Landwirtschaft durch Flächenzahlungen nicht gelöst werden können. Klimaschutz, Tierwohl und Nachhaltigkeit können nur mit hohen Investitionskosten angegangen werden. Zudem sind die Betriebsmittel als solche extrem viel höher geworden und die Pachten schießen in die Höhe. So haben nicht nur die kleinen Betriebe Schwierigkeiten sondern sogar manch große. Nachfolger für Betriebe zu finden ist beinahe unmöglich: die Investitionen sind hoch, die Erzeugerpreise niedrig. Häufig rechnet es sich einfach nicht mehr.

Aber wer verdient denn nun an den steigenden Lebensmittelpreisen? Die Düngemittel- und Saatguthersteller, die Landmaschinenproduzenten, die Molkereien, die Ernährungsindustrie und der Lebensmitteleinzelhandel. Nur die Landwirte nicht. Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU könnte gegensteuern: die Art der Bewirtschaftung des Landes muss honoriert werden und die Anzahl der Arbeitsplätze im Betrieb müssen berücksichtigt werden, sonst könnte die landwirtschaftliche Zukunft in Deutschland ziemlich düster aussehen.

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