EU-Bio-Siegel: Ist wirklich Bio drin, wenn Bio draufsteht?

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Fleisch aus artgerechter Tierhaltung, Obst und Gemüse ohne Einsatz künstlicher Pestizide – Verbraucher geben immer mehr Geld für Bio-Produkte aus. Damit hoffen sie, die angemessene Haltung und Schlachtung von Nutztieren zu fördern und zu gesünderen, nahrhafteren Produkten zu greifen. Doch ist wirklich überall Bio drinnen, wo Bio draufsteht? Immer häufig werden hier Lücken deutlich, die am Ruf des EU-Bio-Siegels kratzen.

Wie erkenne ich das EU-Bio-Siegel?

Das EU-Bio-Siegel zeigt ein stilisiertes Blatt aus EU-Sternchen abgebildet auf grünem Untergrund. Seit 2012 muss zudem auf jedem Siegel der Kontrollstellencode sowie die Herkunftsangabe der Zutaten vermerkt werden.

Eu Bio Siegel

Inzwischen prangt das EU-Bio Siegel auf zahlreichen Lebensmitteln.

Kritik am EU-Biosiegel

Häufig wird das EU-Bio-Siegel jedoch als eine Art „Bio light“ belächelt. So sind die zu beachtenden Vorgaben relativ leicht einzuhalten, was es für Nahrungsproduzenten simpel gestaltet, das Siegel zu erhalten. Verbraucher überschätzen somit meist den Beitrag, den sie zum Umweltschutz bringen indem sie zu Lebensmitteln mit dem EU-Bio-Siegel greifen.

Teilumstellung der Bauernhöfe reicht aus

Bauern, die nach EU-Bio-Siegel wirtschaften, haben keine Verpflichtung, ihren Betrieb komplett auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. So kann diese theoretisch teils konventionell und teils ökologisch geführt werden. Neben dem eindeutigen Widerspruch zum Umweltschutz-Denken birgt diese Tatsache außerdem die Gefahr einer Kontamination der ökologischen Erzeugnisse durch Pestizide oder Dünger, die im Rahmen des konventionellen Anbaus verwendet werden.

Kein kompletter Verzicht auf Gentechnik

Nur wenn auf einem Produkt explizit „Ohne Gentechnik“ vermerkt ist, kann man sich auch darauf verlassen, kein gentechnisch verunreinigtes Produkt auf den Teller zu bekommen. Beim EU-Bio-Siegel ist dies allerdings nicht gewährleistet. Hier dürfen Lebensmittel theoretisch bis zu 0,9 Prozent an gentechnisch manipulierten Inhaltsstoffen aufweisen, ohne dass dies explizit gekennzeichnet werden muss. Häufig wird dieser Wert dabei auch aufgrund der zuvor beschriebenen Kontaminierungsgefahr erreicht.

Keine deutliche Verbesserung des Tierwohls

Der Begriff artgerechte Tierhaltung ist auch in der vermeintlichen Bio-Landwirtschaft dehnbar. So sind die Lebensbedingungen der Nutztiere hier zwar bereits besser als bei der konventionellen Haltung. Allerdings gelten auch die vorgegebenen Zahlen für die Öko-Landwirtschaft vielfach noch als Massentierhaltung. So stehen einem Bio-Rind rund fünf Quadratmeter Platz zur Verfügung während dieser Wert sich in der konventionellen Haltung auf etwa drei Quadratmeter beläuft. Darüber hinaus teilen sich bei der Bio-Haltung „nur“ sechs Hühner einen Quadratmeter. Ebenso ist deren Etagenhaltung mit bis zu drei Ebenen übereinander akzeptiert. Zum Vergleich: Optimal und artgerecht wären rund vier Quadratmeter Platz pro Huhn. Zusammengefasst bedeutet dies auf einen Hektar bezogen beim EU-Bio-Siegel somit nahezu die doppelte Anzahl Legehennen und Masthühner wie bei den großen und deutlich mehr auf artgerechte Tierhaltung bedachten Bioverbänden Naturland, Demeter und Bioland.

Kein Fokus auf regionale Produkte

Bio steht beim EU-Bio-Siegel nicht zwangsläufig für regional. Häufig werden die Lebensmittel nämlich aus weiter entfernten Regionen importiert. So gibt es beispielsweise keine Angabe zur maximalen Entfernung des Schlachthofes oder zur erlaubten Distanz von Anbaufeldern. Genauso wie dein Bio-Apfel also beispielsweise aus Argentinien stammen kann, ist es auch möglich, dass das Bio-Rind auf deinem Teller zuvor bereits durch ganz Europa transportiert wurde.

Kein Verzicht auf Plastikverpackung

Das EU-Bio-Siegel sieht keine verpflichtende Vermeidung von Plastikmüll vor. So darf Bio-Obst und –Gemüse zum Verkauf jederzeit in Plastik verpackt werden. Eine Bio-Gurke in Plastikhülle stellt deshalb leider keine Seltenheit dar und widerspricht jeglichem Umweltgedanken.

Freie Wahl der Kontrollbetriebe

Unterschiedliche Kontrollstellen prüfen die Einhaltung der EU-Bio-Siegel-Vorgaben. Allerdings stehen diese nicht selten in finanzieller Abhängigkeit zu den Lebensmittelproduzenten. So besteht bei den Kontrolleuren ein klarer Interessenkonflikt. Einerseits soll die Arbeit sauber erledigt werden aber andererseits gelten die zu kontrollierenden Betriebe dennoch als unverzichtbare Kunden der Prüfstellen. So kommt es immer wieder zu Betrugsfällen, da großzügig über Missstände hinweg gesehen wird oder Kontrollen unregelmäßig oder zu ungenau erfolgen. Unterstützt wird diese Tatsache dabei auch noch dadurch, dass sich der Lebensmittelproduzent vor Ort selbst aussuchen kann von welcher Kontrollinstanz er überprüft wird.

Bio und Umweltschutz sind also bei weitem nicht immer gewährleistet selbst wenn ansprechende Bio-Gütesiegel die Produkte zieren. Wer sicher gehen will, sollte deshalb insbesondere auf regionale und saisonale Produkte – idealerweise von Hofläden oder dem Wochenmarkt – zurückgreifen. Außerdem haben auch Verbände wie Naturland, Bioland und Demeter einen wirklich guten Ruf. Ihr eigenes Siegel ist mit deutlich strengeren Regularien verbunden und liegt mit den einzuhaltenden Standards weit über denen des EU-Bio-Siegels.

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