Die Lebensmittelampel kommt, aber…

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Die Ernährungsministerin Julia Klöckner gibt der Lebensmittelampel grünes Licht, doch der Schein trügt: Denn warum sollte die Industrie ungesunde Produkte freiwillig mit einem roten Warnsignal auf der Packungsvorderseite labeln?

Die lange geforderte Ampel kommt endlich

Lange hatte die Ernährungsministerin den Nutri-Score mit dem Argument abgelehnt, dass sie den Verbrauchern nicht vorschreiben will, was sie zu essen hätten. Nach einer Umfrage des Ministeriums, der zufolge der Nutri-Score am verständlichsten ist, erklärt Frau Klöckner die Einführung des Modells plötzlich zum „Meilenstein in der Ernährungspolitik“. Der „Wunsch der Verbraucher nach mehr Sicherheit und Transparent beim Kauf von Lebensmitteln“ sei groß und die Ampel könne ihnen bei schnellen Kaufentscheidungen helfen.

Die Problematik einer freiwilligen Einführung

Was Frau Klöckner als Sieg für den Verbraucher verkauft, ist vielmehr ein erneutes Zugeständnis an die Industrie: Ein Jahrzehnt lang kämpfte diese mit allen Mitteln gegen eine Lebensmittelampel, nun darf sie sich selbst aussuchen, ob sie ihre Produkte damit kennzeichnet. Wenn der Industrie freiwillig überlassen wird, worauf sie den Nutri-Score druckt, verkommt der Zweck des Modells bei verarbeiteten Lebensmitteln auf einen Blick zu zeigen, welches Produkt die gesündere Wahl wäre, vielleicht sogar zum Marketing-Instrument der Industrie. Denn welcher Hersteller würde zum Beispiel auf Joghurts für Kinder, die allesamt übersüßt sind, freiwillig ein rotes Warnsignal auf der Packungsvorderseite abbilden? Eine grüne Ampel auf ein Naturjoghurt, die den Verkauf ankurbeln könnte, würde derselbe Hersteller dagegen vermutlich abdrucken. Foodwatch fordert daher, dass die Verwendung des Nutri-Scores für die Industrie europaweit zur Pflicht wird.

Eine Politik für die Industrie ist keine für den Verbraucher

Dabei sind die Joghurts für Kinder eines der wenigen Produkte, für in der ansonsten ebenfalls freiwilligen „nationalen Reduktionsstrategie“ verbindliche Ziele mit den Herstellern ausgemacht wurden. Und dennoch reichen diese bei Weitem nicht aus, um den Zuckeranteil gemäß den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation zu verringern: Selbst, wenn die Joghurts wie geplant ein Zehntel weniger Zucker enthalten würden, hätten immer noch 94 Prozent zu viel Zucker.

Genauso wie es wenig gebracht hat, der Industrie zu überlassen, ob und wie stark sie den Fett-, Salz- und Zuckeranteil in ihren Produkten reduziert, sind die zu erwartenden Fortschritte einer freiwilligen Einführung des Nutri-Scores nicht der von Frau Klöckner angekündigte Meilenstein, sondern vielmehr eine konsequente Fortsetzung ihrer eigenen Politik: Einer Politik für die Industrie ist – keiner für den Verbraucher. Denn ausgerechnet die Ernährungsministerin will der Industrie nicht vorschreiben, was sie zu tun hat. Dabei sind doch eine „ausgewogene, gesunde Ernährung“ und „klare Verbraucherinformationen beim Lebensmitteleinkauf“ laut eigener Homepage mit die wichtigsten Ziele des Ernährungsministeriums.

Bildquelle: Copyright BMEL/Janine Schmitz/photothek.net

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